Die Schweiz und die Eigenverantwortung – Zeit für mehr Mut


    Kolumne


    (Bild: © Ehrbar Photography) Dr. Adrian Schoop ist Unternehmer und FDP-Grossrat.

    Im 175-jährigen Jubiläumsjahr der Schweiz sieht sich die Eigenverantwortung mit einem drohenden Bedeutungsverlust konfrontiert. Der Schweiz, in der nicht der Vorrang des Staates, sondern derjenige der Bürger, der Wirtschaft und der Vereine galt, droht der Abstieg in die Mittelmässigkeit. Sie vertraut nicht mehr auf ihre Stärken – nicht mehr auf wirtschaftliche Selbstregulierung. Dafür immer mehr auf staatliche Lösungen und staatliche Intervention. Unsere Gesellschaft steht nun vor entscheidenden Fragen: Wie soll es weitergehen? Wo wollen wir hin?

    Die Politik der Schweiz steht auf einem liberalen Wertefundament. Dieses hat die Schweiz zu einem Erfolgsmodell gemacht: Freiheit, Eigenverantwortung und Fortschritt sind nicht einfache leere Worthülsen, sondern klare Richtlinien für die Politik, die Wirtschaft, ja die Gesellschaft insgesamt eines erfolgreichen Landes. Es sind genau diese Werte, welche die Schweiz stark gemacht haben. Aufgrund der zunehmenden Anspruchshaltung gegenüber dem Gemeinwesen und dem Steuerzahler und dem daraus resultierenden Umverteilungswahn ist es umso wichtiger, den Bürger vor der Gier von verschiedenen Interessensgruppen zu schützen.

    Mut haben, «Nein» zu sagen
    Wir müssen den Mut haben, neue Lösungen vorzuschlagen, die beim politischen Gegner zunächst Empörung auslösen. Wir leben in Zeiten, bei dem der Staat angeblich nicht genug für den Einzelnen tun will. Die Anspruchshaltung des linken Lagers, von Einwanderern und jüngeren Generationen ist schier grenzenlos. «Ich will haben, haben, haben. Ich hab› Hunger, also nehm› ich mir alles vom Buffet», heisst es auch im letzten Nr. 1 Sommerhit «Wildberry Lillet». Die liberale Wirtschaftspolitik wird vollständig diskreditiert, obwohl eine attraktive Standortpolitik heute so entscheidend ist wie nie zuvor. Kein Wunder also, lösen liberale Lösungsvorschläge regelmässig linke Protestwellen aus.

    Mutig sein, heisst aber auch, «Nein» zu sagen, wenn es das freiheitliche Gewissen fordert. Es ist die vornehmste Pflicht von Liberalen Nein zu sagen, wenn etwas den liberalen Werten diametral gegenübersteht. Zu oft starten Bürgerliche die Diskussion schon mit dem Kompromiss oder tragen faule Kompromisse mit. Dass wir Bürgerlichen Verantwortung übernehmen und uns gegen den Wind dieser linken Anspruchs-Mentalität stellen, ist richtig. Denn Verantwortung für das Land übernehmen bedeutet auch, den Mut zu haben, schlechte Lösungen zu bekämpfen. So sagt es Philipp Müller, der ehemalige Parteipräsident der FDP Schweiz, jeweils richtig «Der Sinn vom Freisinn ist es, Unsinn zu verhindern». Das haben wir in der Vergangenheit zu wenig getan.

    Niemand soll uns vorschreiben, was wir essen und trinken dürfen
    Dass die Eigenverantwortung bröckelt, zeigt auch ein Blick in die Geschichte der Volksabstimmungen. Gab es in den neunziger und den nuller Jahren noch aufsehenerregende Deregulierungs- und Privatisierungspläne, so wurde in den vergangenen Jahren eine Pflegeinitiative angenommen, die den Staat zu verstärkten Eingriffen in den Gesundheitssektor verpflichtet. Der Betreuungsstaat ist mehrheitsfähig, die Bevölkerung staatsfreundlicher und wirtschaftskritischer geworden. Die Abstimmung über die sogenannte Konzernverantwortungsinitiative gewannen die Bürgerlichen nur dank dem Ständemehr. Mehrere Steuervorlagen – die früher routiniert mit dem Verweis auf drohende Arbeitsplatzverluste oder auf die grosse Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen im Sinn der Wirtschaft ausgegangen wären – gingen bachab.

    Für den Erfolg und die Umsetzung liberaler Lösungen ist eine effektive Zusammenarbeit im bürgerlichen Lager unerlässlich. Der Kompromiss am Ende einer Auseinandersetzung liegt in der DNA liberaler und staatstragenden Kräfte – doch staatstragend darf nicht staatsaufblähend bedeuten. Der Kompromiss darf keine Position sein, sondern ist Mittel zur Durchsetzung von Freiheit und Eigenverantwortung.

    Wir stehen an einer Wegkreuzung. Das Jubiläumsjahr der Schweiz mahnt uns zur Besinnung auf die Grundwerte des Liberalismus. Mut, Entschlossenheit und eine klare Ausrichtung auf liberale Kernthemen sind notwendig, um die Schweiz wieder als starke Kraft zu etablieren. Nur durch konsequentes Eintreten für Freiheit, Eigenverantwortung und innovative Lösungen können wir uns gegen die linke Anspruchshaltung und in einer stürmischen Welt behaupten. Tun wir das nicht, wird uns eines Tages vorgeschrieben, was wir essen dürfen, wie wir wohnen müssen und wann wir in die Ferien verreisen dürfen.

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