«Es war ein Schlag ins Gesicht»

    Die Aarauer Einwohnerrätin und Mutter Sandra Blank kämpft gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Martin Ammann gegen die KESB. Diese will ihr das Sorgerecht für ihre Tochter entziehen. Einen objektiven Grund für den massiven Eingriff gebe es nicht.

    (Bilder: zVg) Sandra Blank, Einwohnerrätin von Aarau und Mutter

    Es ist ein illustres Paar, das den Kampf gegen die mächtige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) in der Stadt Aarau aufnimmt. Sandra Blank ist Einwohnerrätin und kandidierte für den Grossen Rat. Schützenhilfe erhält sie von ihrem Lebenspartner, dem Unternehmer Martin Ammann. Im Interview mit dieser Zeitung schildern die beiden den aufsehenerregenden Fall.

    Frau Blank, Sie liegen seit drei Jahren im Clinch mit der KESB Aarau. Was ist da passiert?
    Sandra Blank: Inzwischen sind es sogar bald dreieinhalb Jahre. Ich hatte das gemeinsame Sorge­recht für meine Tochter. Das war so seit 2015. Damals war noch alles in Ordnung. Dann fing der Kindsvater an, die Alimente nicht mehr zu bezahlen. Nachdem ich mehrfach nachgehakt und ihm auch vorgeschlagen hatte, die Alimente von der Behörde neu berechnen zu lassen, passierte einfach nichts. Deshalb habe ich ihn betrieben. Nur einen Tag später machte er dann eine Gefährdungsmeldung bei der KESB. Mit der Folge, dass ich meine Tochter eine Zeitlang gar nicht mehr sehen durfte.

    Sie wurde also plötzlich als akute Gefahr für Ihre Tochter angesehen?
    Sandra Blank: Ja, von einem Tag auf den anderen. Schliesslich gab es eine Anhörung vor Gericht. Dieses stellte dann fest, dass von mir doch keine Gefahr ausgehe. In diesem Gerichtsentscheid wurde klar geregelt, dass das Sorgerecht wie auch die Obhut bei beiden Elternteilen blieb.

    Das Familiengericht am Bezirksgericht Aarau stellte demnach fest, dass die Gefährdungsmeldung missbräuchlich war?
    Sandra Blank: Ja. Es war sofort klar, dass diese Gefährdungsmeldung völlig unbegründet war und von mir nie irgendeine Gefahr für meine Tochter ausging.

    Sie deuten die Gefährdungsmeldung als reine Retourkutsche?
    Sandra Blank: Das war sie ganz offensichtlich.

    Wie ging es dann weiter?
    Sandra Blank: Das Familiengericht setzte gleichzeitig eine Beiständin ein, in der Person von Brigitte Kissling, Leiterin Kindes- und Erwachsenenschutz bei den Sozialen Diensten Aarau. Damit begann das eigentliche Ungemach. Sie zeigte sich sehr überrascht, dass es bei mir zuhause ein eingerichtetes Kinderzimmer gibt und alles sauber und ordentlich aussieht. Offenbar wurde sie vorgängig anders informiert. Es gab in der Folge mehrere Gespräche. Dabei stellte ich fest, dass Frau Kissling die Akten gar nicht kannte. Sie sagte mir einmal, sie lese die Akten nicht, um nicht voreingenommen zu sein. Schliesslich beantragte sie Ende Juni dieses Jahres wie aus heiterem Himmel, dass mir das Sorgerecht für meine Tochter zu entziehen sei.

    Können Sie die Gefühle beschreiben, die das in Ihnen auslöste?
    Sandra Blank: Es war ein Schlag ins Gesicht. Ich konnte es mir nicht erklären, und Brigitte Kissling hat es auch nie begründet. Vorausgegangen waren drei sehr schwierige Jahre mit der Beiständin. Ich habe sie von Anfang an als sehr parteiisch und voreingenommen erlebt.

    Sie haben den Eindruck, dass in diesem Fall nicht objektive Kriterien ausschlaggebend sind, sondern persönliche Sympathien und Antipathien?
    Sandra Blank: Ganz eindeutig. Objektive Gründe für den Antrag auf Entzug des Sorgerechts gibt es in den Akten nicht.

    Sie haben sich nach reiflicher Überlegung entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen. Warum dieser Schritt?
    Sandra Blank: Weil ich in den letzten drei Jahren die Erfahrung machen musste, dass Recht haben und Recht bekommen – beziehungsweise die Durchsetzung des Rechts – auch in der Schweiz zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Die KESB toleriert es seit Jahren, dass sich der Kinds­vater nicht an gerichtliche Entscheide und Abmachungen hält. Der skandalöse Antrag auf Sorgerechtsentzug hat dann das Fass zum Überlaufen gebracht.

    Der KESB-Fall Aarau hat bereits Schlagzeilen in regionalen und nationalen Medien gemacht. Sind Sie überrascht über das grosse Echo?
    Sandra Blank: Eigentlich schon. Ich habe schon vorher ab und zu von Missständen bei der KESB vernommen. In meinen Fall finde ich es aber wichtig, dass die Fehler und Versäumnisse gesehen und gehört werden. Abgesehen von dem nicht nachvollziehbaren Versuch, mir meine Tochter wegzunehmen, habe ich in all den Jahren immer wieder den Eindruck gehabt, dass die KESB, insbesondere Frau Kissling, überfordert ist.

    Martin Ammann, Unternehmer

    Herr Ammann, Sie kämpfen als Lebenspartner von Frau Blank und als bekannter Unternehmer ebenfalls gegen die KESB an. Was werfen Sie der Behörde vor?
    Martin Ammann: Ich habe ein gesamtheitliches Bild und begleite meine Partnerin nun schon seit fünf Jahren. Die ersten eineinhalb Jahre hatten wir mit dem Kindsvater ein relativ gutes Verhältnis. Er ging bei uns ein und aus. Dann kam die Phase, die meine Partnerin beschrieben hat. Ich sah sie weinen und musste ihre Ohnmacht miterleben, während ihr das Kind immer mehr weggenommen wurde. Kritische Fragen muss sich aber auch das Bezirksgericht Aarau stellen lassen. Es sah doch, wie dieser Fall immer mehr entgleiste, ist aber nicht eingeschritten. Ein Antrag auf Auswechslung der offensichtlich überforderten Beiständin wurde sogar vom Obergericht abgelehnt. Auch die Vorgesetzte von Brigitte Kissling bei den Sozialen Diensten griff nicht durch, obwohl die Missstände aktenkundig sind.

    Sie vermissen ein Controlling?
    Martin Ammann: Absolut. In meiner Geschäftstätigkeit muss ich ständig Controllings durchführen. In solch zentralen Lebensbereichen aber, wie sie die KESB regelt – es geht hier um das Schicksal ganzer Familien – finden offenbar keine seriösen Qualitätskontrollen statt. Da stehen die Sozialen Dienste und die Stadt Aarau in der Verantwortung.

    Ihre Anwälte fahren schweres Geschütz gegen die KESB auf. Die Rede ist von der «Sabotage einer Familie» und vom «Inbegriff willkürlichen Handelns».
    Martin Ammann: So ist es leider. Es ist traurig, aber eine Tatsache: Ich kann es mir nun einmal leisten, gute Anwälte zu engagieren. Wer weniger begütert ist, hat gegen eine so mächtige staatliche Maschinerie wie die KEBS kaum eine Chance.
    Sandra Blank: Wenn ich die finanzielle Unterstützung durch meinen Partner nicht hätte, hätte ich meine Tochter wohl schon verloren. Das ist doch bedenklich. Sie können offenbar auch in der Schweiz das Recht nur mit Geld durchsetzen.

    Frau Blank, Sie kämpfen nicht nur um Ihr Recht als Mutter und um Ihre Tochter, sondern auch dafür, dass ähnliche Fälle in Zukunft nicht mehr vorkommen. Was müsste sich aus Ihrer Sicht denn ändern?
    Sandra Blank: Es kann so nicht funktionieren, wie die KESB organisiert ist. Sie ist wie ein Staat im Staat, die politische Kontrolle fehlt. Es muss eine unabhängige Prüfung der Amtsführung geben.

    Herr Ammann, wo sehen Sie Verbesserungspotenzial bei der KESB?
    Martin Ammann: Ganz sicher bei der Auswahl des Personals. Zwischenmenschliche Probleme zwischen einem Beistand und den Eltern können einen ganzen Fall beeinflussen. Das KESB-Personal müsste politisch neutral sein und dürfte nicht selbst vom Sozialfilz profitieren.

    Wie geht es nun weiter in diesem Fall?
    Sandra Blank: Es gibt Anzeichen, dass Frau Kissling inzwischen gar nicht mehr im Amt ist. Darüber sind wir aber nicht informiert worden. Anfragen bleiben einfach unbeantwortet. Wir haben im Moment gar keinen Ansprechpartner mehr.
    Martin Ammann: Da herrscht eine totale Misswirtschaft.

    Gehen Sie auch gerichtlich weiter vor?
    Sandra Blank: Selbstverständlich. Es kann doch nicht sein, dass einer Mutter (oder einem Vater) ohne jeden Grund das Sorgerecht entzogen wird.
    Martin Ammann: Wir wollen alles daransetzen, dass das gravierende Unrecht in diesem Fall korrigiert und dass öffentlich über die Missstände bei der KESB diskutiert wird. Nur so können wir erreichen, dass in Zukunft nicht noch mehr Familien unter dem KESB-Regime zu leiden haben werden.

    Philipp Gut

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