Putin rüttelt Westen wach


    Kolumne


    Der Krieg in der Ukraine weckt die Europäer aus ihren sicherheitspolitischen Tagträumen. Auch die Schweiz muss jetzt alles unternehmen, um wieder eine verteidigungsfähige Armee aufzubauen.

    (Bild: zVg) Dr. Adrian Schoop ist Unternehmer und FDP-Grossrat.

    Der militärische Überfall Russlands auf den souveränen Nachbarstaat Ukraine war ein Schock. Plötzlich herrscht mitten in Europa wieder Krieg. Der Angriff, gesteuert vom russischen Präsidenten Vladmir Putin, ist aufs Schärfste zu verurteilen. Aggressionskriege verstossen gegen das Völkerrecht. Der Krieg fügt nicht nur der Ukraine einen unermesslichen Schaden zu, sondern auch der Bevölkerung Russlands. Sie muss ausbaden, was der autoritäre Herrscher Putin mit seiner skrupellosen Machtpolitik anrichtet.

    Dieser Krieg ist eine Katastrophe. Wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt etwas Positives feststellen kann, dann dies: Putins Kanonen wecken die Europäer aus ihren sicherheitspolitischen Tagträumen. Sie machen uns bewusst, dass wir unsere Sicherheit in den vergangenen Jahrzehnten sträflich vernachlässigt haben.

    Bundeswehr steht «blank» da
    Nehmen wir das Beispiel Deutschlands. Alfons Mais, der Generalinspekteur des deutschen Heeres, schlug Alarm: Die Bundeswehr stehe praktisch «blank» da, sagte er. Sie könnte im Ernstfall auch der NATO kaum Hilfe leisten. Es mangle an allem: an Waffen, an Truppen, an Material.

    Was jetzt so brutal ans Licht kommt, ist die Lebenslüge der Nachkriegszeit: Unter dem Schutzschirm der USA rüstete Deutschland sich selbst so weit ab, dass es weder die eigene noch die Sicherheit der NATO-Bündnispartner garantieren kann.

    Putin hat die Deutschen nun zu einer spektakulären Wende veranlasst: Ausgerechnet der neue SPD-Kanzler Olaf Scholz will 100 Milliarden Euro in die Bundeswehr pumpen.

    Schweizer Armee kann Sicherheit nicht gewährleisten
    Ein ähnlicher Ruck muss auch durch die Schweiz gehen. Denn wir stehen nicht besser da als unser nördlicher Nachbar. Bei uns gilt die sogenannte «Aufwuchs-Doktrin». Das heisst: Die Armee geht davon aus, dass sich ein bewaffneter Konflikt 10 Jahre (!) vorher abzeichne und man in dieser Zeit dann schon wieder auf eine angemessene Stärke komme.

    Der Krieg in der Ukraine hat dies definitiv als absurd erwiesen. Eine glaubwürdige Armee muss Land und Bevölkerung jederzeit schützen können. In der Schweiz ist das schon längst nicht mehr der Fall. Alles wurde reduziert: Der Bestand sank von über 600’000 Mann auf weniger als 100’000. Von Hunderten von Kampfjets sind noch ein paar wenige übriggeblieben.

    Ein Lehrling in meiner Firma erzählte mir kürzlich von seinen Erfahrungen mit Schweizer Kampfpanzern. Jeder zweite sei nicht einsatzfähig gewesen, ausser Rauch sei nichts herausgekommen.

    Auch wenn das übertrieben sein mag: Niemand bestreitet, dass die Schweizer Armee den verfassungsmässigen Verteidigungsauftrag nicht mehr wahrnehmen kann.

    Bürgerliche stehen in Verantwortung
    Die Verantwortung dafür tragen nicht nur die linken Armeeabschaffer. Ich erinnere daran, dass das eidgenössische Parlament eine bürgerliche Mehrheit hat, ebenso wie der Bundesrat. Zur katastrophalen Lage beigetragen haben auch die Armeespitzen selbst. Sie setzten seit dem Ende des Kalten Krieges eine Reform nach der anderen um – Reformen, welche die Armee immer mehr schwächten.

    Der Krieg in der Ukraine muss zu einer Zeitenwende werden: Die Schweiz muss alles tun, um eine glaubwürdige Verteidigung aufzubauen. Dies ist eine der Kernaufgaben eines liberalen Staates. Während in ganz vielen anderen Bereichen Steuergeld zum Fenster hinausgeworfen wird – hier muss investiert werden. Der Staat hat ein Gewaltmonopol. Im Gegenzug muss er die Bürgerinnen und Bürger schützen.


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