Vorsicht – nachhaltig!


    Mit spitzer Feder …


    (Bild: zVg)

    Es ist so eine Sache mit der Nachhaltigkeit – dieses Wort hat sich zu einem scharfen Schwert, zu einem wirksamen Schild und zu einem Symbol entwickelt, das jede Diskussion erstickt. Was nachhaltig ist, ist gut. Basta! Was nicht nachhaltig ist, gehört auf den Scheiterhaufen der versäumten Chancen. Nachhaltige Lösungen für den Umweltschutz, nachhaltiges Essen, nachhaltige Personalplanung – alle reden von Nachhaltigkeit, treffen wirtschaftlich und sozial nachhaltige Entscheidungen und versprechen Nachhaltigkeit auf allen Ebenen. Welche Firma, so frage ich mich, kann es sich leisten, nicht irgendwie nachhaltig zu sein? Wenige Begriffe wurden in den letzten Jahren derart inflationär gebraucht wie jener der Nachhaltigkeit. Spätestens seit Greta und ihre Jüngerinnen und Jüngern auf der Bildfläche erschienen sind, drängt sich dieses nicht gerade sexy Wort unaufhaltsam in unser Bewusstsein – noch penetranter ist nur «Corona» oder «Covid-19». Der Begriff Nachhaltigkeit taucht in Zeitungsartikeln auf, in wissenschaftlichen Beiträgen und – vielleicht am häufigsten – in Werbetexten. Das macht es nicht ganz einfach, zu erklären, was Nachhaltigkeit eigentlich ist, denn der Begriff wird in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. Grundsätzlich geht es darum, Ressourcen so zu nutzen, dass sie sich auch wieder regenerieren können. Ursprünglich stammt der Begriff übrigens aus der Forstwirtschaft und ist schon über 300 Jahre alt. Schon damals gab es den Gedanken, an die nachkommenden Generationen zu denken und Ressourcen zu schonen.

    In den letzten Jahren hat sich der Begriff der Nachhaltigkeit zum regelrechten Modewort entwickelt: es klingt vernünftig, seriös und sympathisch. Gegen Nachhaltigkeit kann eigentlich niemand etwas haben. Oder? In allen Branchen werden Nachhaltigkeitspreise verliehen und auch die Berater haben längst das Potential erkannt, es hat sich eine regelrechte Beratungsindustrie zum Thema Nachhaltigkeit entwickelt. Das Wort gibt sich sozial verträglich. Und doch spaltet es die Gesellschaft. Wer den Begriff Nachhaltigkeit verwendet, polarisiert, stellt an den Pranger, setzt ihn als Totschlag-Wort ein. Das Problem bei der Sache ist allerdings, dass sich unter dem Banner der Nachhaltigkeit verschiedenste Verfechter versammelt haben. Da sind zum einen die überzeugten Umweltschützer, die es ernst meinen, mit dem langfristigen Denken, dem Ressourcenschonen und dem wirtschaftlichen Umdenken. Da gibt es aber zum anderen eine sehr grosse Gruppe aus Nachhaltigkeits-Trittbrettfahrern, die den Begriff nutzen, um ihre eigene Agenda voranzutreiben. Da wären zum Beispiel alle jene, die sich den Begriff «nachhaltig» auf die Fahne – oder das Werbeplakat – schreiben, um Profit zu machen, ohne dass viel dahinter steckt, wie zum Beispiel Billigmode-Ketten, die in grossen Marketing-Aktionen ankündigen, in der Zukunft auf Biobaumwolle umzusteigen, die aber heute noch mit ihrer Billigstproduktion in Niedriglohnländern Menschen und Natur durch giftige Chemikalien und rücksichtslose Produktionsmethoden gefährden. Die Liste an Beispielen pseudo-umweltfreundlicher Firmen könnte endlos weitergehen. Und dann gibt es noch die politischen «Nachhaltigkeits-Aposteln», denen all das Gerede um die schwindenden Ressourcen gerade recht kommt.

    Auch wenn im Umweltschutz und der Bio-Landwirtschaft sich schon einiges getan hat: Nachhaltigkeit läuft heute Gefahr zum Marketing-Gag für Wirtschaft und Politik zu werden. Dann wäre vom Grundgedanken nicht mehr viel übrig. Klimawandel, schwindende Ressourcen und der Verlust von Biodiversität sind nur einige der drängenden Umweltproblemen unserer Zeit. Dazu kommt die steigende Weltbevölkerung, die bereits 7,6 Milliarden erreicht hat. Eins haben all die Warnungen und Expertisen der Experten gemeinsam: Das Hauptproblem sehen sie im kurzfristigen Denken, die Lösung lautet Nachhaltigkeit – aber ob dann Nachhaltigkeit auch das Allerweltsmittel ist, um unseren Planeten unsterblich zu machen, dürfte fraglich sein. Nun, jede und jeder hat seine eigene Nachhaltigkeitsstrategie – wichtig, dass dabei der gesunde Menschenverstand nicht auf der Strecke bleibt.

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

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