«Wir fokussieren uns auf die Stärken unserer Gäste»

    Im Tageszentrum Aarau, das zum Schweizerischen Roten Kreuz Kanton Aargau gehört, finden Menschen mit einer IV-Rente oder im AHV-Alter neue Beschäftigungsmöglichkeiten, entdecken ihre Stärken wieder und können ihr Selbstbewusstsein stärken.

    (Bild: zVg) Die Gäste werden bei ihrer Arbeit im Tageszentrum Aarau fachkundig betreut

    Es geht lebhaft zu und her im Tageszentrum Aarau. In der hauseigenen Werkstatt wird gehämmert, gesägt und geschliffen. Ein Mann im Rollstuhl renoviert mit seinem körperlich etwas weniger beeinträchtigten Kollegen gerade ein altes Nachttischchen. In der Küche rüstet ein Team das Gemüse fürs Mittagessen. Im Aufenthaltsraum sitzt ein Grüppchen und spielt Rummikub. Andere häkeln, stricken oder diskutieren. Immer wieder wird herzhaft gelacht. Wer die Stille sucht und seinen Kopf auslüften möchte, geht in den Ruheraum und kuschelt sich auf eine der bequemen Spezialliegen, um abzuschalten. Eigentlich findet im Tageszentrum Aarau ein ganz normaler Alltag statt. Man arbeitet zusammen, diskutiert, hilft sich, setzt sich gemeinsam zum Essen an den Tisch und gönnt sich zwischendurch eine Pause. Die Besucherinnen und Besucher, die im Haus des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) Kanton Aargau ihren Tag verbringen, haben jedoch spezielle Bedürfnisse. Gäste nennt sie Franziska Arn, die das Tageszentrum leitet. Es sind Menschen im Erwachsenenalter, die wegen körperlichen, psychischen oder kognitiven Defiziten keiner beruflichen Tätigkeit nachgehen können.

    (Bild: ub) In der Küche des Tageszentrums Aarau bereiten die Gäste ihr Mittagessen vor

    «Welche Beeinträchtigung ein Besucher hat, ist für uns sekundär. Jeder ist eine Bereicherung. Die Stärken der Gäste und das Miteinander sind für uns wichtiger.», sagt Chantale Bürli, Bereichsleiterin im SRK Kanton Aargau. Oft wird das Tageszentrum vom behandelnden Arzt, Sozialdienst oder Therapeuten vorgeschlagen und insbesondere nach einer Reha oder einem Klinikaufenthalt empfohlen. Das Zentrum in Aarau bietet seinen Gästen eine Tagesstruktur und entlastet die pflegenden Angehörigen. Ein professionelles, siebenköpfiges Team, darunter eine dipl. Aktivierungsfachfrau, ein dipl. Fachmann Betreuung, eine dipl. Fachfrau Psychiatrie, zwei Pflegefachfrauen und zwei Auszubildende im Pflegebereich sorgen dafür, dass es den IV- und AHV-Gästen an nichts mangelt. Auf dem Programm steht neben den Mahlzeiten ein individuelles Beschäftigungsangebot. Jeder macht das, was ihm liegt, und worauf er Lust hat. Sämtliche Materialien zum Basteln, Werken oder Handarbeiten werden zur Verfügung gestellt. Zwischen 11 und 11.45 Uhr findet die Bewegungstherapie mit einem Physiotherapeut statt. Die Teilnahme ist freiwillig. Zusätzlich werden je nach Bedarf externe Ergo- und Logopädie-Therapeuten hinzugezogen. Der grosse Liebling aller ist Therapiehund Peggy, ein Labradormischling. Zweimal in der Woche kommt er mit Frauchen Sonja auf Besuch und erobert die Herzen jeweils im Sturm.

    (Bild: zVg) In der Werkstatt des Tageszentrums in Aarau wird von zwei IV-Gästen eine alte alte Kommode restauriert

    Schnuppertage zum Kennenlernen
    45 Franken kostet ein Tag im Tageszentrum des Roten Kreuzes Kanton Aargau für einen IV- und 70 Franken für einen AHV-Bezüger (exklusiv Spezialtherapien wie Ergo- und Logopädie). Der Rest wird vom Kanton und vom Aargauer Roten Kreuz getragen. Nach einem Eintrittsgespräch haben die Neuankömmlinge die Möglichkeit, einen Tag kostenlos zu schnuppern. «Wir zeigen, was wir bieten können und erfahren von ihnen, welche Bedürfnisse sie haben», erklärt Franziska Arn. Diese Schnuppertage seien für beide Seiten wichtig, um zu spüren, ob jemand ins bestehende Team passt oder nicht. Das Tageszentrum bietet Raum für maximal 20 Gäste. Zurzeit hat es noch freie Plätze.

    «Es braucht enormes Fingerspitzengefühl, um auf Menschen in verschiedensten Lebenssituationen und mit unterschiedlichsten Ressourcen einzugehen. Wir fokussieren uns auf die Stärken der Gäste. Versuchen sie im Alltag zu fördern, ohne sie zu überfordern», meint Arn. Sie erzählt von einem Mann, der aufgrund einer psychischen Beeinträchtigung zwei Monate nur in einem Stuhl sass und mit niemandem sprach. «Am Schluss war er derjenige, der sich mit einem Rollstuhlgänger anfreundete und ihm zu seinem täglichen Spaziergang verhalf.» Beim Stricken geben die älteren Frauen mit Erfahrung den jüngeren Kolleginnen Tipps. Eine Frau mit Panikattacken schaffte es nach einigen Wochen, auf eine Leiter zu steigen und ihren selbstgemachten Weihnachtsstern an der Decke des Tageszentrums aufzuhängen. «Für sie war das ein erster Schritt, um wieder an Sicherheit zu gewinnen», bekundet Arn. Ein wertvolles und wichtiges Mitglied in der Tageszentrums-Gruppe zu sein, eigene Stärken wiederzuentdecken und gebraucht zu werden, hat schon vielen Gästen zu einem neuen Selbstbewusstsein verholfen.

    Ursula Burgherr


    Tageszentrum Aarau
    SRK Kanton Aargau
    Mühlemattstr. 40, 5000 Aarau
    Tel. 062 824 05 15
    Weitere Infos: www.srk-aargau.ch/tageszentrum


    Das Rote Kreuz im Kanton Aargau

    Neben dem Tageszentrum bietet das SRK im Kanton Aargau eine reiche Palette an Dienstleistungen an:

    • Kurs für Babysitter, werdende Eltern und pflegende Angehörige
    • Lehrgang Pflegehelfer/in SRK
    • Mentoring- und Nachhilfeprogramme für Jugendliche mit Migrationshintergrund
    • Inputabende für minderjährige Asylsuchende
    • Fahrdienst für gesundheitlich beeinträchtige Menschen
    • Rotkreuz-Notruf-System für Sicherheit rund um die Uhr
    • Entlastungsdienst für pflegende Angehörige
    • Tagesstätte in Frick für Menschen mit Demenz (mit 10 Betreuungsplätzen und riesigem geschützten Garten)

    Weitere Angebote auf: www.srk-aargau.ch

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