Die Frage beschäftigt uns schon lange, doch nun raubt uns das Beratungsunternehmen Ernst & Young (EY) sämtliche Illusionen auf eine Besserung: Denn gemäss einer Studie über das Kosten- und Prämienwachstum im Gesundheitswesen geht EY davon aus, dass sich die Krankenkassenprämien bis zum Jahr 2030 mehr als verdoppeln werden. Damit steht fest, dass uns schon bald auch die Gesundheit gehörig wehtun wird und uns ruinieren kann…
Stellen Sie sich vor, sie sind kerngesund und trotzdem todkrank. Der Grund ist nicht irgendein mysteriöser Virus oder Infekt, sondern die horrenden Krankenkassenprämien, die sie nicht mehr bezahlen können und sie finanziell in Schwierigkeiten bringen. Es ist paradox, aber ihre Gesundheit wird sie ruinieren. Dieses Szenario könnte schon bald Wirklichkeit werden, denn das Beratungsunternehmen Ernst & Young (EY) geht anhand einer Studie davon aus, dass sich die Krankenkassenprämien bis zum Jahr 2030 mehr als verdoppeln werden.
Die Prognose von EY bestätigt damit lediglich die Richtung, die im letzten Herbst bereits comparis.ch zusammen mit der ETH bei der publizierten KOF-Herbstprognose der Gesundheitsausgaben aufgezeigt hatte. Felix Schneuwly, Gesundheitsexperte comparis.ch erklärt, warum die Kosten weiter steigen werden und wie das Wachstum allenfalls gebremst werden kann, damit uns die Gesundheit noch nicht ruinieren wird. «Die Budgetposten der privaten Haushalte haben sich in den letzten Jahren stark verschoben. Wir geben prozentual und zum Teil auch absolut immer mehr für Steuern, Gesundheit und Sozialversicherungen aus», betont Schneuwly. Dagegen sinke der Budgetposten für die Ernährung.
Noch viel Spielraum vorhanden
Wie stark die Krankenkassenprämien künftig ansteigen werden, hängt gemäss Felix Schneuwly nicht nur von den Gesundheitskosten ab, sondern auch davon, wie viel der Bürger von diesen Kosten mit Steuern, Krankenkassenprämien und Kostenbeteiligungen finanzieren werde. «Sparen können wir mit der Wahl der Krankenkasse sowie des Grundversicherungsmodells. Hier haben Kassen, Ärzte, Apotheker, Spitäler und andere medizinische Leistungserbringer noch viel Spielraum, um mit intelligenten Vergütungssystemen die medizinische Versorgung effizienter und qualitativ besser zu machen», ist der Gesundheitsexperte überzeugt.
Voraussagen über Kosten- und Prämienentwicklungen bis zum Jahr 2030 stuft Felix Schneuwly als schwierig ein. «Die von EY prognostizierte Verdoppelung der Krankenkassenprämien ist aber realistisch, wenn nicht entweder die Anreize von der Menge in Richtung Effizienz und Qualität verschoben werden oder die Leistungen rationiert werden.» Schneuwly hat aber auch eine gute Nachricht, denn er ist überzeugt, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, um die Kosten in den Griff zu kriegen. Man könne die günstigste Krankenversicherung wählen, die Franchise so hoch wie möglich ansetzen, ein Hausarzt-, HMO- oder Telemedizin-Modell wählen und nicht wegen jeder Bagatelle in die Notfallstation rennen. So würden die Kosten schon mal reduziert und die eingezahlten Prämien effizienter eingesetzt, ohne dafür eine schlechtere Medizin zu erhalten.
Patienten mit Prämienrabatten belohnen
Gleichzeitig ist der Gesundheitsexperte aber auch der Meinung, dass der Bürger mit in der Verantwortung steht. «Wir sind nicht unschuldig am Prämienwachstum. Einerseits treibt die steigende Lebenserwartung die Kosten in die Höhe, andererseits schafft der technische Fortschritt neue Behandlungen, die von uns auch nachgefragt werden, wenn wir krank sind. Die moderne Medizin verlängert das Leben und verbessert die Lebensqualität», erwähnt Felix Schneuwly.
Krankenversicherer müssten Patienten noch stärker mit Prämienrabatten belohnen dürfen, die sich für Versicherungsprodukte wie Telemedizin-, Hausarzt- oder HMO-Modelle entscheiden, weil diese Versicherungen gute und günstige Medizin fördern würden, ist der comparis-Gesundheitsexperte überzeugt. «Heute werden Versicherte, Ärzte und Spitäler zu wenig belohnt, wenn sie zurückhaltend konsumieren, beziehungsweise effizient und qualitativ gut arbeiten. Leute, die mit Schnupfen in den Spitalnotfall rennen oder mit Schmerzen ohne Erkenntnisgewinn mehrere Spezialärzte aufsuchen, strapazieren die Solidarität und sollten massiv höhere Prämien bezahlen als diejenigen, die mit besonderen Versicherungsmodellen einen Sparbeitrag leisten», fordert Felix Schneuwly.
Walter Ryser